Die zukünftigen Nutzungskosten für Wasserstoffnetze werden voraussichtlich deutlich niedriger sein als die Gebühren für das Stromnetz, die von den Nutzern an die Betreiber der Infrastruktur gezahlt werden müssen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die im Auftrag des DVGW durchgeführt wurde.
Die Studie ist einzigartig, da Transformationskosten in dieser Form noch nie zuvor berechnet und für Strom und Wasserstoff vergleichend dargestellt wurden (Quelle: Adobe Stock).
Das zugrunde liegende Szenario der Analyse war modellbasiert, wobei die Netze für Wasserstoff und Strom separat und unabhängig voneinander betrachtet wurden. Es wurde der Bedarf an Netzausbau bis zum Jahr 2045 in Deutschland und in jedem Bundesland für Strom und Wasserstoff sowie die daraus resultierenden Transformationskosten berechnet. Die Netznutzungskosten für Wasserstoff wurden unter der Annahme kalkuliert, dass zwei Drittel (9,2 Millionen) der aktuellen Hausanschlüsse (13,7 Millionen) für Haushalte und den Gewerbe-Handel-Dienstleistungssektor erhalten bleiben. Die Berechnung der Netznutzungskosten für Strom basierte auf dem Netzentwicklungsplan 2023, der vorsieht, dass die aktuellen Hausanschlüsse fast vollständig elektrifiziert oder mit Wärmenetzen versorgt werden.
„Die Betrachtung von sogenannten Vorzugsregionen, die entweder einen Ausbau des Gas- oder Stromnetzes erfahren, deutet darauf hin, dass die Kosten für die Nutzung von Wasserstoffnetzen im Vergleich zu den Ausgaben für ein ausschließlich strombetriebenes Versorgungsnetz erheblich niedriger sein würden“, erklärt Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW).
Netzinvestitionen für Wasserstoff: 24 Mrd. € Gesamtkosten
Gemäß dem Antragsentwurf der Fernnetzbetreiber zum H₂-Kernnetz vom 15. November 2023 werden die Investitionskosten für den Aufbau des H₂-Kernnetzes bis 2032 auf 19,8 Milliarden Euro geschätzt. Zusätzlich sind bis 2045 weitere 4 Milliarden Euro für die Aufrüstung der bestehenden Gasverteilnetze für Wasserstoffbetrieb vorgesehen. Wenn man die Kosten für die reguläre Wartung des bestehenden Erdgasverteilnetzes einrechnet, das zukünftig hauptsächlich für Wasserstoff genutzt werden soll, summieren sich die Kosten bis 2045 auf weitere 43 Milliarden Euro.
Im hypothetischen „DVGW-Szenario 2045“ würden sich die Transformationskosten für Wasserstoff folgendermaßen zusammensetzen: Unter Berücksichtigung der Ausgaben, die sich aus Kapital- und Betriebskosten für das Kern- und Verteilnetz sowie Kapitalkosten für die Restwerte umgewidmeter Anlagen im Kern- und Verteilnetz ergeben, belaufen sich die jährlichen Gesamtkosten des Wasserstoffnetzes auf etwa 6 bis 9 Milliarden Euro, je nach Zinssätzen am Kapitalmarkt. Bei einem angenommenen Referenzzinssatz wären jährliche Investitionen von etwa 7,3 Milliarden Euro erforderlich. Für die Verbraucher bedeutet dies, unabhängig von der Kundengruppe, also sowohl für private Haushalte als auch für Industrie- und Gewerbekunden, Gebühren von etwa 1,8 Cent pro Kilowattstunde für die Nutzung von Wasserstoff. Die beschriebenen Maßnahmen würden eine Infrastruktur bereitstellen, die mehr als 9 Millionen Haushalte und Gewerbekunden sowie die Industrie und Gaskraftwerke mit Wasserstoff versorgen könnte.
Netzinvestitionen für Strom: Rund 730 Mrd. € Gesamtkosten
Im Vergleich wurden die Transformationskosten für Strom berechnet. „Elektrifizierung wird eine tragende Säule im Energiesystem sein. Eine Schlüsselrolle spielen dabei neben dem Übertragungsnetz auch die Verteilnetze. Für die Realisierung der Klimaneutralität bis 2045 müssen nicht nur der Wärmebereich, sondern auch Mobilität und vor allem dezentrale Erzeugung berücksichtigt werden“, erklärt Dr.-Ing. Marco Greve, Geschäftsführer der ef.Ruhr GmbH, die die Stromberechnungen als Projektpartner durchgeführt hat.
Für die Ermittlung des Netzausbaubedarfs im Verteilnetz wurde die zukünftige Zubauleistung auf das Betrachtungsgebiet aufgeteilt und die erforderliche Netzinfrastruktur festgelegt. Dies resultiert in einer Anzahl zusätzlicher Leitungskilometer und Transformatoren, die eine indikative Kostenschätzung für den Netzausbau ermöglichen. In Deutschland wurde so ein Bedarf für den Netzausbau über alle Netzebenen und Bundesländer hinweg von etwa 730 Mrd. € ermittelt, einschließlich der im Netzentwicklungsplan veröffentlichten Kosten für das Übertragungsnetz von 301 Mrd. €.
Allein für das Verteilnetz würde dies einen jährlichen Investitionsbedarf von 20 Milliarden Euro bedeuten, was einer Vervierfachung der Ausgaben gegenüber 2022 gleichkäme. Laut Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) würde der gestiegene Investitionsbedarf bis 2045 zu einem Anstieg der Netznutzungsentgelte für alle Verbrauchergruppen – Industrie, Gewerbe und Haushalte – führen. In einem Basisszenario könnten die Netzentgelte für Industriekunden um 7,0 Cent/kWh, für Gewerbekunden um 15,2 Cent/kWh und für Haushaltskunden um 18,0 Cent/kWh ansteigen.
Andreas Schick, Geschäftsführer der Netze-Gesellschaft Südwest und Landesbotschafter Baden-Württemberg H2vorOrt, betont: „Es geht nicht nur um Wasserstoff oder Strom. Um die Klimaziele zu erreichen, werden wir beides in erheblichem Maße benötigen. Angesichts der erwarteten hohen Kosten ist es jedoch dringend notwendig, keine Optionen auszuschließen, sondern die bestehende Infrastruktur zu nutzen und sektorübergreifend zu denken und zu handeln. Ich spreche täglich mit Bürgermeistern, Landräten sowie mittelständischen und kleinen Unternehmen aus der Region, und die Besorgnis über die finanziellen, technischen und personellen Herausforderungen ist groß. Nicht zu vergessen die Verunsicherung vieler Hausbesitzer. Wenn wir offen für verschiedene Technologien nach Lösungen suchen, können wir die Klimaziele erreichen und die Preise für Industrie, Gewerbe und Haushalte zukunftsfähig gestalten.“
Fazit: Netzkosten für Wasserstoff deutlich geringer als für Strom
„Wasserstoff und grüne Gase sind daher nicht nur unter dem Aspekt des Klimaschutzes, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen mehr als eine Option für Industrie, Gewerbe und private Haushalte. Der entscheidende Punkt sind letztlich die Netzkosten für Wasserstoff, nicht die eigentlichen H₂-Produktionskosten. Die Analyse legt dar, dass die Versorgung mit grünen Gasen insgesamt deutlich kostengünstiger ist als die mit Strom”, erklärt DVGW-Chef Linke anhand der Berechnungen. Um die Energiewende für Unternehmen und private Verbraucher erschwinglich zu halten, ist aus Sicht des DVGW maximale Technologieoffenheit unerlässlich.
Gasverteilnetze zur Sicherung der Grundlast im Stromnetz notwendig
Ein überzeugendes Argument dafür sind Gaskraftwerke, die zukünftig mit Wasserstoff betrieben und an das Verteilnetz angeschlossen werden sollen. Über 80 % dieser Anlagen – was rund drei Viertel der Gesamtkapazität von 62 GW entspricht – liegen mehr als einen Kilometer vom bestehenden Hochdrucknetz entfernt und befinden sich somit ausschließlich im Bereich des Gasverteilnetzes. „Jede Forderung nach einem Rückbau der wasserstoffkompatiblen und in der Bilanz bereits mehrfach abgeschriebenen Gasinfrastruktur ist unverantwortlich, bedroht Investitionsanreize und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Gasverteilnetze sind ein zentraler Faktor für die Energiewende“, lautet das Resümee des DVGW-Vorsitzenden.