Energiekosten belasten ärmere Haushalte überproportional
Die Ökonom:innen des DIW bewerten anhand der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) die Heizkosten verschiedener Einkommensgruppen für das Jahr 2024. Demnach geben einkommensschwache Haushalte, die in schlecht sanierten Gebäuden leben, bis zu 30 Prozent ihres Einkommens für Heizung aus. Sanierungen führen bei allen Einkommensdezilen zu einem geringeren Energieverbrauch und niedrigeren Kosten, wobei die Einsparungen in den niedrigsten Einkommensgruppen am größten sind. „Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz bieten die besten Möglichkeiten für Sanierungen, sowohl für den Einzelnen als auch für die Volkswirtschaft“, sagt Studienautorin Sophie Behr. „Haushalte mit geringem Einkommen dürften nach einer energetischen Sanierung nicht mehr so stark von Energiepreisschocks betroffen sein.“
Am schlechtesten gedämmte Gebäude sollten zuerst saniert werden
Die DIW-Wissenschaftler:innen sehen jedoch ein Problem darin, dass insbesondere für einkommensschwache Eigentümer:innen von schlecht isolierten Häusern eine Sanierung eine erhebliche und schwer zu überblickende Investition darstellt. Bei der Instandsetzung oder Modernisierung eines Gebäudes machen die zusätzlichen Kosten für energetische Maßnahmen nur etwa ein Drittel der Gesamtkosten aus und betragen zusätzlich circa 180 bis 360 Euro pro Quadratmeter.
Auch wenn keine Modernisierungsmaßnahmen anstehen, können bei ineffizienten Gebäuden durch Teilsanierungen, wie die Dämmung des Dachbodens, des Kellers und Einblasdämmungen bei Doppelwänden, erhebliche Energiemengen eingespart werden. Die Investitionen hierfür belaufen sich auf etwa 120 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Die späteren Einsparungen bei den Energiekosten zusammen mit Förderprogrammen machen energetische Sanierungen normalerweise rentabel. Dennoch bestehen Investitionsrisiken aufgrund möglicherweise steigender Sanierungskosten oder geringerer Einsparungen als erwartet, zum Beispiel wenn die Energiepreise fallen. Mieter:innen befürchten darüber hinaus Mieterhöhungen, die potenziell die Einsparungen bei den Energiekosten übersteigen könnten.
Gezielte Fördermaßnahmen federn hohe Sanierungskosten ab
Die Forscher:innen des DIW raten dazu, insbesondere einkommensschwache Haushalte mit zusätzlichen staatlichen Zuschüssen und günstigen Krediten bei der Sanierung zu unterstützen. Hierfür könnten die bereits etablierten Mechanismen des “Wohngeld Plus” – ein staatlicher Zuschuss zu den Wohnkosten, der während der Gaspreiskrise auf selbstnutzende Eigentümer:innen ausgeweitet wurde – genutzt werden. Von dieser neuen Unterstützung könnten 13 Prozent der Eigentümer:innen in ineffizienten Gebäuden profitieren.
Änderungen im Mietrecht zur Eindämmung der Modernisierungsumlage sollen sicherstellen, dass die Warmmieten nicht ansteigen. Zudem empfehlen die Autoren der Studie, Mindestenergiestandards für Wohngebäude einzuführen, wie sie schon für Nichtwohngebäude beschlossen wurden, um bestehende Anreize zu ergänzen und Effizienzanforderungen bei jeder baulichen Instandhaltung zu berücksichtigen.
Förderprogramme stabilisieren und warmmietenneutrale Sanierungen im Mietrecht verankern: Interview mit Karsten Neuhoff, DIW, Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik
Herr Neuhoff, durch energetische Sanierung lassen sich hohe Energiekosten senken. Was bedeutet in diesem Kontext die „Worst-First-Strategie“?
Die Beschaffenheit unserer Gebäude variiert stark. Einige benötigen nur 30 bis 50 kWh Energie pro Quadratmeter, andere über 300 kWh. „Worst First“ bedeutet, dass man zuerst die 43 Prozent der schlecht isolierten Gebäude saniert, bevor man sich den restlichen Gebäuden widmet.
Welche Vorteile bietet eine „Worst-First-Strategie“?
Durch die Isolierung eines schlecht isolierten Gebäudes lässt sich deutlich mehr Energie einsparen, da der Energieverbrauch von 200 bis 300 kWh auf 50 bis 100 kWh pro Quadratmeter jährlich reduziert wird, statt nur von 150 auf 50 bis 100 kWh. Dies führt zu Kosteneinsparungen, da mit derselben Maßnahme größere Energieeinsparungen erzielt werden. Dies bringt auch für die Haushalte erhebliche Vorteile und reduziert zudem CO2-Emissionen.
Von einer energetischen Sanierung würden insbesondere welche Haushalte profitieren?
Es hat sich gezeigt, dass Haushalte mit niedrigerem Einkommen tendenziell in schlechter isolierten Wohnungen leben und Mieter im Allgemeinen schlechter isolierte Wohnungen haben als Eigentümer. Zudem geben Haushalte mit niedrigerem Einkommen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Miete und Heizkosten aus. Diese drei Faktoren führen dazu, dass gerade Haushalte mit niedrigerem Einkommen durch hohe Heizkosten besonders stark belastet sind, besonders wenn die Preise für Heizkosten steigen.
Wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis energetischer Sanierungen aus?
Generell zahlt sich eine energetische Sanierung durch die eingesparten Energiekosten und Fördermittel aus. Viele Eigentümer haben jedoch Bedenken wegen der Unsicherheiten. Wie werden sich die Kosten entwickeln? Wie hoch werden die Energiepreise in Zukunft sein? Wie hoch sind dann die Einsparungen tatsächlich?