Lars Eichhorst - Energy Solutions

Wenn man an erneuerbare Energien denkt, fallen einem meist zuerst Solar- und Windkraft ein. Doch die realen Beiträge zur Energiebilanz erzählen eine andere Geschichte: Bioenergie ist mit einem Anteil von über 50 Prozent am erneuerbaren Energiemix momentan die bedeutendste Quelle erneuerbarer Energien in Deutschland und spielt daher eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.

Insbesondere im Verkehrs- und Heizungsbereich, in denen die Energiewende noch hinterherhinkt, erbringt Bioenergie bereits heute einen wertvollen Beitrag. Sollte der derzeitige Trend und der regulatorische Rahmen bestehen bleiben, könnte ihre Bedeutung laut unseren Prognosen bis 2030 noch zunehmen. Das ist eine positive Entwicklung, denn ohne Bioenergie wären die deutschen Emissionsziele schwer zu erreichen.

Bioenergie: mit 265 TWh die wichtigste Säule der Erneuerbaren

Im Jahr 2022 deckten Bioenergieträger in Deutschland etwa 265 TWh Endenergie ab, wovon 180 TWh auf den Wärmesektor, 50 TWh auf die Stromerzeugung und 35 TWh auf den Verkehrssektor entfielen. Dies macht ungefähr ein Zehntel des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs von 2.400 TWh aus. Die Klimabilanz ist ebenfalls bemerkenswert: Laut unseren Berechnungen konnten dadurch jährlich über 70 Mt CO2 eingespart werden, gemessen am Gesamtausstoß von etwa 750 Mt im Jahr 2022. Wie gestaltet sich die aktuelle Verteilung des Bioenergieeinsatzes auf die verschiedenen Sektoren? Hier ist ein Überblick:

Wärme ist der dominierende Sektor mit einem Verbrauch von 180 TWh. Im Jahr 2022 stammten etwa 15 % des Wärme- und Kälteverbrauchs aus Bioenergien. Holz war dabei der vorherrschende Rohstoff, der rund 80 % (140 TWh) ausmachte. Private Haushalte und Gewerbebetriebe nutzen hauptsächlich Scheitholz und Holzpellets. Insbesondere Holzpellets erfreuen sich zunehmender Beliebtheit: Im Jahr 2023 überstieg die Anzahl der installierten Pelletheizungen 700.000, was einem Anstieg von 50 % im Vergleich zu 2020 entspricht.

Strom: Bioenergien leisten mit 50 TWh etwa ein Fünftel zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Deutschland und decken damit rund 9 % des nationalen Endstromverbrauchs. Aktuell stammt der größte Teil aus Biogas, hauptsächlich gewonnen aus Mais- und Gras-Silage, sowie Getreide und Zuckerrüben.

Im Verkehrssektor, der mit 35 TWh bisher der kleinste Bereich für den Einsatz ist, machen Biokraftstoffe etwa 85 % der erneuerbaren Energien aus – das ist weit mehr als der Anteil des EE-Stroms für Elektrofahrzeuge. Der Großteil besteht aus Biodiesel, der meist aus Raps-, Palm- oder Sojaöl beigemischt wird, und zu einem kleineren Teil aus Bioethanol, das dem Benzin aus Getreide oder Zuckerrüben zugesetzt wird, sowie in geringerem Maße aus Biomethan. Aktuell beschränkt sich die Nutzung hauptsächlich auf den Straßenverkehr.

320 TWh bis 2030 möglich

In den nächsten Jahren wird die Bioenergie voraussichtlich einen weiteren Aufschwung erleben. Abgesehen vom Stromsektor, wo die Nutzung aufgrund regulatorischer Bedingungen tendenziell abnimmt, wird der Einsatz in anderen Bereichen zunehmen. Es wird geschätzt, dass im Jahr 2030 insgesamt etwa 320 TWh Endenergie durch Bioenergieträger bereitgestellt werden könnten.

Wärme. Der Endenergieverbrauch aus Bioenergie wird wahrscheinlich von 180 auf 210 TWh ansteigen. Etwa 80 TWh davon werden auf industrielle Anwendungen entfallen – hier wird ein weitgehend konstanter Verbrauch angenommen. Obwohl weiteres Potenzial für eine intensivere Nutzung in Form von Biomasse-betriebenen Heizkraftwerken besteht, wird dies in unserer Prognose nicht berücksichtigt. Der größte Verbrauch mit 130 TWh entfällt jedoch auf Heizungen und Öfen in Privathaushalten und im Gewerbe. Diese setzen zunehmend auf Pellets: Sollte die aktuelle Regulierung bestehen bleiben, könnte sich der Bestand an Pelletheizungen von derzeit über 700.000 bei einer gleichbleibenden Rate neuer Installationen bis 2030 auf über 1,2 Millionen nahezu verdoppeln; die daraus resultierende Energie könnte dann bis zu 25 TWh betragen. Der Boom bei Pellets ist nicht nur auf die positive Klimabilanz der Heizungen zurückzuführen, sondern auch auf das relativ stabile Preisniveau des Brennstoffs. Obwohl die Preise im Jahr 2022 teilweise um mehr als 100 % gestiegen sind, war der Anstieg weniger drastisch als bei Strom und Gas. Mittlerweile hat sich der Preis für Pellets wieder auf das Niveau vor der Krise stabilisiert.

Neben dem Einsatz von Pellets gewinnt auch Biogas an Bedeutung: Laut Gebäudeenergiegesetz müssen neu installierte Heizungen (mit Ausnahmen) zu mindestens zwei Dritteln mit erneuerbaren Energien betrieben werden, was den vermehrten Einsatz klimaneutraler Heizmittel bei Gasheizungen erfordert. Da Wasserstoff für Privathaushalte bis mindestens Ende des Jahrzehnts nicht in ausreichender Menge verfügbar sein wird, soll vor allem Biomethan die Versorgungslücke schließen. Mit etwa 2 Millionen neuen Gasheizungen, die zu 65 % EE-Anteil betrieben werden (abzüglich der Ausnahmen), und einem durchschnittlichen Verbrauch von 20 MWh pro Gebäude könnte sich der Gesamtbedarf bis 2030 auf rund 20 TWh belaufen – etwa das Vierfache des Verbrauchs von 2022.

Im Stromsektor könnte der Bioenergieeinsatz bei konstanten Betriebsstunden von 50 auf etwa 40 TWh zurückgehen, da viele Bestandsanlagen aufgrund des Auslaufens der EEG-Förderung stillgelegt werden könnten. Die Ausschreibungsrunde im Oktober 2023 war dreifach überzeichnet, was dazu führt, dass viele Anlagen zukünftig keine Förderung mehr erhalten und entweder geschlossen werden oder nur noch zur Spitzenlastabdeckung genutzt werden. Die EEG-Novelle von 2023 strebt für 2030 eine installierte Leistung aus Biomasse- und Biomethananlagen von 8,4 GW an, was einen Nettorückbau von etwa 2 GW im Vergleich zu 2022 bedeutet.

Verkehr: Unsere Analyse zeigt, dass sich der Einsatz von Bioenergie im Verkehrssektor bis 2030 voraussichtlich von derzeit 35 auf etwa 70 TWh verdoppeln wird. Dies wird der Fall sein, wenn die gesetzlichen Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen sektorspezifisch erreicht werden. In Deutschland sind diese Ziele ambitionierter als die der EU: Bis 2030 sollen die im Verkehr verwendeten Kraftstoffe ein Viertel weniger Treibhausgase ausstoßen als bei einer ausschließlichen Nutzung fossiler Brennstoffe. Zusätzlich zu den nationalen Bestimmungen gibt es EU-Regulierungen, wie Treibhausgas-Vorgaben in der Schifffahrt und eine Mindestquote für den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe in der Luftfahrt. Um diese Ziele zu erreichen, werden neben der wachsenden Elektromobilität insbesondere nachhaltige Kraftstoffe einen wesentlichen Beitrag leisten – in den nächsten Jahren hauptsächlich Biokraftstoffe. Die derzeit dominierenden Produkte, Biodiesel und Bioethanol, können jedoch aus technischen und regulatorischen Gründen nur in begrenztem Maße beigemischt werden. Daher wird zunehmend auf fortschrittliche Biokraftstoffe zurückgegriffen, die fossile Brennstoffe vollständig ersetzen können, wie zum Beispiel erneuerbaren Diesel und nachhaltiges Kerosin.

Die EU-Vorgaben werden auch den Einsatz von Rohstoffen beeinflussen: Momentan dominieren in der Biokraftstoffproduktion noch Rohstoffe der ersten Generation, einschließlich essbarer Öle wie Raps-, Palm- und Sojaöl für Biodiesel sowie Getreide und Zuckerrüben für Bioethanol und Biomethan. Die Regulatorik setzt ihrer Verwendung jedoch zunehmend Grenzen, sodass sie trotz einer steigenden Gesamtnachfrage nach Biokraftstoffen im Jahr 2030 voraussichtlich nur in etwa dem heutigen Umfang genutzt werden. Stattdessen werden verstärkt Rohstoffe der zweiten Generation eingesetzt, die weder essbar noch als Tierfutter geeignet sind. Dazu gehören:

85 Mt vermiedenes CO2 jährlich

Gemäß dem Klimaschutzgesetz sollen die CO2-Emissionen Deutschlands bis 2030 um etwa 300 Mt sinken, was einer Reduktion von über 40 % im Vergleich zu 2022 entspricht. Derzeit werden durch den Einsatz von Bioenergieträgern statt fossilen Brennstoffen bereits mehr als 70 Mt CO2 jährlich eingespart. McKinsey-Analysen zufolge könnte dieses Einsparvolumen bis 2030 auf nahezu 85 Mt ansteigen. Unsere sektorspezifischen Berechnungen basieren auf den Unterschieden zwischen den Emissionen der Bioenergien selbst (beispielsweise aus Produktion und Logistik) und jenen, die bei der Verwendung fossiler Energieträger entstehen würden. Für die Analyse des Wärme- und Stromsektors wurden die Vermeidungsfaktoren des Umweltbundesamts verwendet, für den Verkehrssektor die Referenzemissionswerte fossiler Kraftstoffe.

Im Wärmesektor führt der Einsatz von Bioenergie bereits heute zu einer jährlichen Einsparung von 34 Mt CO2. Sollte der Ausbau von Pellet- und Biomethanheizungen wie beschrieben fortgesetzt werden, könnten es bis 2030 bereits 42 Mt sein. Um zusätzliche 8 Mt mit Wärmepumpen statt Bioenergien einzusparen, müssten in den nächsten sechs Jahren über 1,5 Millionen Geräte zusätzlich installiert werden – ein Drittel mehr als die bereits für diesen Zeitraum geplanten 4 bis 5 Millionen.

Strom: Die Nutzung von Bioenergie zur Stromerzeugung wird voraussichtlich abnehmen, was auch ihren Beitrag zur Emissionsreduktion in diesem Sektor senkt. Bis 2030 wird die CO2-Einsparung durch Bioenergie von aktuell etwa 30 auf rund 25 Millionen Tonnen pro Jahr sinken.

Verkehr: Biokraftstoffe tragen derzeit dazu bei, jährlich 8 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zu fossilen Brennstoffen einzusparen. Bis 2030 könnte diese Einsparung nahezu 18 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen. Um diesen Betrag allein durch Elektromobilität zu sparen, müssten zusätzlich zu dem Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 weitere 13 Millionen vollständig mit erneuerbaren Energien betriebene Fahrzeuge auf den Straßen sein. Die mehr als Verdoppelung der CO2-Einsparungen durch Biokraftstoffe ist auf die Verwendung veränderter Rohstoffe zurückzuführen: Rohstoffe der ersten Generation reduzieren Treibhausgase um etwa die Hälfte, während die der zweiten Generation sie sogar um 80 bis 90 Prozent reduzieren.

Die Knackpunkte: Nachhaltigkeit, Flächenbedarf, Kosten und Verfügbarkeit

Nachhaltigkeit. Obwohl Biomasse aus erneuerbaren Rohstoffen gewonnen wird, setzt sie bei der Verbrennung CO2 frei, anstatt es dauerhaft zu speichern. Als Beispiel dient Holz: Gemäß dem Bundesklimaschutzgesetz sollen die Land- und Forstwirtschaft bis 2030 insgesamt 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, hauptsächlich durch die Speicherung von CO2 in Bäumen und Böden. Das Bundesumweltamt gibt jedoch bereits zu erkennen, dass dieses Ziel wahrscheinlich deutlich verfehlt wird. Eine erhöhte energetische Nutzung von Holz würde das Erreichen des Ziels noch weiter hinauszögern.

Flächenbedarf. Im Jahr 2022 wurden etwa 15 % (23.000 km²) der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland für den Anbau von Energiepflanzen verwendet: knapp 10 % davon (14.000 km²) für den Strom- und Wärmesektor und etwas mehr als 5 % (9.000 km²) für den Verkehrssektor. Bis 2030 wird der Flächenbedarf jedoch voraussichtlich nur geringfügig steigen – selbst im stark wachsenden Verkehrssektor um weniger als 1.000 km². Dies ist auf gesetzliche Beschränkungen zurückzuführen: Würden die bis 2030 zusätzlich benötigten Rohstoffe der zweiten Generation durch solche der ersten Generation ersetzt, während die bereits genutzten Mengen der zweiten Generation konstant blieben, würde der Flächenbedarf um weitere 6.000 km² steigen – mehr als die doppelte Fläche des Saarlandes. Um dies zu verhindern, wird der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen für die Biokraftstoffproduktion weitgehend auf dem Niveau von 2022 gehalten. Stattdessen muss die Verwendung von Rohstoffen der zweiten Generation, die keine zusätzlichen Flächen beanspruchen, überproportional zunehmen.

Flächeneffizienz ist ein kritischer Aspekt. Neben dem Platzbedarf wird die Flächennutzung von Bioenergien, besonders in der Stromerzeugung, auch unter Effizienzgesichtspunkten diskutiert: Im direkten Vergleich zur Photovoltaik schneiden Bioenergien deutlich schlechter ab. Laut einer Analyse des Umweltbundesamts kann eine neue Solaranlage auf derselben Fläche bis zu 40-mal mehr Strom erzeugen als eine Biogasanlage, die mit Mais betrieben wird.

Kosten. Bioenergie ist in fast allen Bereichen teurer als konventionelle Energiequellen. Allerdings können je nach verwendetem Rohstoff teilweise erhebliche Preisunterschiede bestehen, wie direkte Kostenvergleiche zeigen.

Verfügbarkeit: In Deutschland werden bisher weniger als 2 % aller Bioenergieträger importiert. Im Verkehrssektor könnte der Anteil importierter Rohstoffe jedoch steigen, wenn in Zukunft verstärkt auf Rohstoffe der zweiten Generation zurückgegriffen wird. Einige dieser Rohstoffe, wie zum Beispiel Stroh, sind in Deutschland in ausreichender Menge vorhanden, allerdings sind ihre Verarbeitungsverfahren komplex und die Produktionskapazitäten limitiert. Andere Rohstoffe, wie der Ausfluss von Palmölmühlen, können zwar einfacher verarbeitet werden, sind aber in Deutschland nur in begrenztem Umfang verfügbar. Deshalb könnte Deutschland, ähnlich wie andere europäische Länder, zunehmend auf Importe angewiesen sein. Schätzungen zufolge könnten bis 2030 mehr als die Hälfte der für die Biokraftstoffproduktion benötigten Rohstoffe der zweiten Generation aus Importen bezogen werden.

Fazit

Wo und in welcher Form ist der Einsatz von Bioenergie sinnvoll? Fest steht: Bioenergieträger können einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele für 2030 leisten, wenn auch nur in begrenztem Umfang. Das vielversprechendste Anwendungsgebiet ist der Wärmebereich; im Stromsektor bieten sich kurzfristige Potenziale durch die flexible Zuspeisung während Spitzenlastzeiten an.

Im Verkehrssektor könnten Bioenergien als Zwischenlösung dienen, bis die Elektrifizierung und der Einsatz strombasierter Kraftstoffe vollständig realisiert sind. Um den Flächenverbrauch zu minimieren, wird es notwendig sein, zunehmend auf Rohstoffe der zweiten Generation zurückzugreifen. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit dieser Rohstoffe in Deutschland sollten frühzeitig Importstrategien entwickelt und die Entwicklung komplexerer Produktionsverfahren vorangetrieben werden.

Quelle: ET